Gartentherapie: Über sich hinauswachsen

Es spriesst, leuchtet, duftet: Auf der Rasen­terrasse vor der Klinik ist ein kleiner Garten angelegt worden, wo gewühlt, geschnitten und gestaunt werden darf. Die Gartentherapie ist Teil der Ergotherapie und der Garten für viele Patientinnen und Patienten ein Ort, wo sie wahrlich aufblühen.

Giessen, hacken, ernten: Die Gartentherapie unter der Leitung von Manon Repond (rechts) regt alle Sinne an und trainiert feinmotorische Fertigkeiten. 

Das Wasser aus der Giesskanne, die die Patientin mit der linken Hand nach unten richtet, fliesst zuerst nur zögerlich. Mithilfe der Ergotherapeutin plätschert es plötzlich in rauen Mengen heraus. Was auf den ersten Blick nicht spektakulär scheinen mag, ist es auf den zweiten durchaus: Die Patientin hat vor wenigen Wochen eine Hirnblutung erlitten und ist auf der linken Seite gelähmt. Unbeirrt wässert sie nun den Liebstöckel, den Ananassalbei, die Ringelblumen und den Thymian – kurz: das gesamte Hochbeet auf dem Plateau auf der linken Seite der Berner Klinik Montana. Sie zupft einige Blätter ab, zerreibt sie zwischen den Fingern und schnuppert daran. «In der Ergotherapie habe ich so viel gelernt. Soeben bin ich die Treppe zum Garten hochgelaufen, ohne das Bein hinterherzuziehen. Meine Bekannten haben nicht mehr damit gerechnet, dass ich jemals wieder laufen kann», sagt sie nachdenklich. Das Laufen zum Garten sei viel motivierender als reines Gehtraining in den Klinikgängen, hält die diplomierte Biologin weiter fest und giesst den nächsten Strauch. 

«Die Natur ist per se therapeutisch.»

Manon Repond, Ergotherapeutin

Samen setzen, Früchte ernten
«Für einige unserer Patientinnen und Patienten ist die Gartentherapie genau das, was sie brauchen», sagt Manon Repond, Ergotherapeutin und selbst begeisterte Gärtnerin. Ein grosser Vorteil ist es, dass draussen besser sichtbar wird, wie jemand vorgeht und wo noch Support notwendig ist. Spannend sei auch, dass jede Person ihr eigenes Wissen mit in die Therapie bringe und gerade bei der Arbeit in Gruppen dank diesem regen Austausch oft neue Projekte entstünden. Manchmal wird etwas gesät, manchmal die Beschriftung optimiert, geerntet oder umgetopft. Und ebenso wichtig: Nach getaner Arbeit hält die Gruppe fest, welche Aufgaben das nächste Mal anstehen, damit das Überleben der Pflanzen gesichert ist und das Beet ein Blickfang bleibt. 

«Wir prüfen beim Eintritt, ob die Gartentherapie bei der jeweiligen Person auf Interesse stösst. Für gewisse Patienten ist das das Nonplusultra, andere entscheiden sich dagegen», erklärt Manon Repond. Die Art der Beschwerden und das Alter spielen bei dieser Outdoor-Therapie keine Rolle, denn im Garten lässt sich eigentlich alles trainieren: Ausdauer, Koordination, Planung, Feinmotorik, Kraft und Beweglichkeit. 

Derzeit befindet sich die Gartentherapie in der Klinik in der Testphase: Die Aktivitäten finden vorerst nur an einem Standort der Klinik statt, weitere Gärten sind jedoch geplant. Bei den Patienten stösst das Angebot auf eine grosse Nachfrage. «Die Natur ist per se therapeutisch und wirkt sich unglaublich positiv auf unsere Vitalparameter und unser Wohlbefinden aus», hält Manon Repond fest, die sich in ihrer Diplomarbeit mit dem wissenschaftlichen Nutzen dieser Therapie auseinandergesetzt hat.

Es grünt so grün

Studien zeigen, dass die Gartentherapie einen grossen gesundheitlichen Nutzen hat. Insbesondere kann sie helfen, die körperliche Gesundheit und Beweglichkeit zu erhalten bzw. zu verbessern, Schmerzen zu lindern und psychische Stabilität zu erlangen.

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Foto: Carolina Piasecki

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