Ergotherapie: Passgenau Lösungen entwickeln
Wie komme ich nach einem Unfall in meinem gewohnten Umfeld zurecht? Kann ich nach der Rehabilitation wieder im Leben Fuss fassen? Vanessa Denis, Ergotherapeutin in der Berner Klinik Montana, setzt sich tagtäglich mit solchen Fragen auseinander und scheut keinen Aufwand, damit der Schritt zurück in den Alltag gelingt.
Konzentriert lauscht die Patientin den Ausführungen von Vanessa Denis, die ihr erklärt, wie die neuen Krücken mit Stehhilfen zu bedienen sind. Die 80-Jährige ist froh um dieses Modell, weil so die Gehhilfen nicht mehr auf den Boden fallen, wenn sie die Hände wäscht oder anderen Verrichtungen nachgeht. Sie macht einige Schritte mit den neuen Stöcken und ist sichtlich zufrieden.
Die Patientin, die wegen eines Schlaganfalls in der Rehabilitation ist, musste vor zwei Monaten ganz von vorne beginnen. Wie setzt man einen Wasserhahn in Gang, wo drehen, wie die Temperatur regulieren? Wie gelingt all das wieder, was sie während Jahren mühelos und ohne gross nachzudenken verrichtet hat? «Manchmal beginnen wir in der Therapie damit, wieder zu lernen, was Aufgabe und Funktionsweise eines Objekts ist», erklärt Vanessa Denis. Um dann in einer späteren Phase Schritt für Schritt weitere Fähigkeiten zu trainieren, die für ein selbstständiges Leben im Alltag notwendig sind.
«Ohne Kreativität könnten wir unsere Arbeit in der Ergotherapie nicht machen»
Vanessa Dennis, Ergotherapeutin
Vom Kleinen zum Grossen
Vanessa Denis nimmt jetzt plastifizierte, sorgfältig illustrierte Blätter mit Klettverschluss zur Hand. Die Piktogramme zeigen die Medikation einer Patientin, die einzelnen Schritte einer Aufgabe oder Produkte des täglichen Bedarfs: Tomaten, Spülmittel, Milch und Dutzende anderer Produkte. Mit diesem massgefertigten Instrument trainiert die Ergotherapeutin mit der Patientin unter anderem das Einkaufen – letzte Woche zum ersten Mal direkt im Supermarkt in Crans-Montana. In den nächsten Tagen werden auch die Angehörigen instruiert, damit sie sich mit dem Hilfsmittel vertraut machen, wenn ihre Mutter wieder in ihre gewohnte Umgebung zurückkehrt.
«Wir schauen uns mit jedem Patienten an, was er braucht, um im Alltag zu funktionieren», erklärt Vanessa Denis. Die Hilfsmittel werden dann ganz spezifisch für die jeweilige Person erstellt, um zum Beispiel eine optimale Kraftübertragung zu erzielen oder motorische Fähigkeiten zu trainieren. Eine Arbeit, die Ideen, Erfahrung und handwerkliches Geschick erfordert.
Zuhören, hinschauen, handeln
«Ohne Kreativität könnten wir unsere Arbeit in der Ergotherapie nicht machen», sagt Vanessa Denis lachend und zieht eine grosse Schublade mit Hilfsmitteln in allen Farben und Formen hervor, die speziell für die Patienten entworfen wurden. Genauso wichtig ist es aber auch, ihnen bei ihren Wünschen genau zuzuhören. «Nur so kann ich verstehen, was jemand wirklich braucht, und die Therapie und die Hilfsmittel darauf abstimmen», erklärt die gebürtige Franko-Belgierin.
Michael von der Heide: Im Moment singe ich effektiv sehr viel, weil ich gerade ein neues Album abgeschlossen habe und mitten in den Proben für die Tournee stecke. Aber ich trage eigentlich immer ein Lied auf den Lippen – seit frühster Kindheit. Das ist für mich fast wie atmen. Heute Morgen war ich im Wald. Und ja, auch dort singe ich. Manchmal verlege ich sogar das Einsingen vor Konzerten in den Wald, was den einen oder anderen Spaziergänger schon ein bisschen erschrecken kann. (Lacht.) Aber die Rehe bringt das nicht mehr aus der Fassung, die kennen mich schon gut.
Nahe am Menschen, nahe am Leben
Mithilfe der Ergotherapie lernen Patientinnen und Patienten tägliche Aufgaben wie die Einnahme von Medikamenten, essen, sich anziehen oder sich fortbewegen so selbstständig wie möglich auszuführen. Darüber unterstützt sie sie dabei, ihre Bewegungen und Position bewusst wahrzunehmen und auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Hilfsmittel zu verwenden.
Die Ergotherapie wird einzeln oder in Gruppen durchgeführt und umfasst sowohl manuelle wie auch computergestützte
Methoden. Zu letzteren gehört der «Armeo Spring», mit dem Armbewegungen trainiert werden. Dank eines visuellen und akustischen Feedbacks sind die Fortschritte für den Patienten sofort sichtbar.
Foto: Carolina Piasecki