Von innen heraus wieder eine Verbindung zum Körper herstellen
Die Berner Klinik Montana ist eine der wenigen Kliniken in der Schweiz, die im Rahmen der muskuloskelettalen Rehabilitation auch therapeutisches Yoga anbieten. Ziel der Trainingseinheiten ist es, eine wache und bewusste Haltung zu sich selbst wiederzufinden, die durch Glaubenssätze und Erkrankungen beeinträchtigt wurde.
Auf dem Rücken liegend atmet Xavier tief ein und aus. Zuerst durch den Bauch, dann durch den Brustkorb und schliesslich durch die Schlüsselbeine. Bauch, Brustkorb, Schlüsselbeine. Bauch, Brustkorb, Schlüsselbeine. «Ich entdecke Muskeln in meinem Körper, die ich bisher nicht kannte …», gibt er grinsend zu. Pauline Aubertin macht ihrem Patienten Mut: «Achten Sie auf jedes Gefühl und auf den Zustand, in den es Sie versetzt». Es ist der dritte Aufenthalt des 30-jährigen Friburgers in der Berner Klinik Montana. Jedes Mal geht er zu Einzeleinheiten mit therapeutischem Yoga. «Mit diesem Patienten arbeite ich vor allem an der Muskelentspannung sowie an den mentalen Blockaden, die ihn daran hindern, eine neue Perspektive einzunehmen und andere Handlungsmöglichkeiten im Alltag zu entdecken.»
Die Walliser Rehabilitationseinrichtung ist eine der wenigen in der Schweiz, die therapeutisches Yoga anbieten. Pauline Aubertin, Sporttherapeutin und Yogalehrerin, kommentiert dazu: «Durch Yoga wirkt man auf mehrere Systeme ein, sodass der Patient verschiedene körperliche und geistige Zustände erlebt und lernt, diese zu beeinflussen oder zu nutzen.» Diese Art der Therapie wurde zunächst in der psychosomatischen Rehabilitation angeboten und später auf die muskuloskelettale Rehabilitation ausgeweitet. Im Gegensatz zu seinen sportlicheren Formen, die vor allem in Fitnessstudios gelehrt werden, geht es beim Yoga hier nicht um Muskeltraining, sondern um Körperbewusstsein, um die Beziehung zu sich selbst, zur Umwelt und zu anderen Menschen zu verbessern. «Durch Krankheit, Glauben und/oder Schmerzen eingeschränkt, neigt der Patient dazu, sich von seinem Körper abzukoppeln und eine verzerrte Selbstwahrnehmung anzunehmen. Das Ziel unserer Trainingseinheiten ist es, diese Verbindung wieder herzustellen.»
«Wenn sie wieder eine Verbindung zu sich selbst hergestellt haben, gewinnen die Patienten neue Perspektiven.»
Pauline Aubertin, Yogatherapeutin
Keine körperlichen Einschränkungen
Die Therapeutin fährt fort: «Wenn die Patienten wieder mit sich selbst verbunden sind, fangen sie an, Dinge zu verstehen und neue Perspektiven zu gewinnen.» Manchmal beobachtet Pauline Aubertin, dass es bei den betreuten Patienten richtig «Klick» macht. «Dieser Klick kann sich auf alle anderen Therapien, auf den gesamten Rehabilitationsprozess auswirken.» Logischerweise wird also mehr Wert auf Qualität als auf Quantität gelegt. «Im Vergleich zu Physio- oder Ergotherapeuten konzentriere ich mich weniger auf die Symptome als vielmehr auf die Gesamtheit der Person», fügt sie hinzu.
Pauline Aubertin ist in der Klinik auch für therapeutisches Klettern und Boxen zuständig und weist darauf hin, dass Yoga nicht nur für besonders mobile Patienten geeignet ist, denn es geht im Wesentlichen darum, «Kopf, Herz und Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen». Selbst eine Person, die ihren Rollstuhl nicht verlassen kann, hat dazu Zugang. Allerdings kann man nicht sagen, dass diese Form der Therapie für jeden geeignet ist. «Wenn ein Patient in die Klinik aufgenommen wird, setzen sich Ärzte, Therapeuten und Pfleger zusammen, um gemeinsam zu entscheiden, wie sich die Rehabilitationsziele am besten erreichen lassen; manchmal gehört Yoga dazu, manchmal nicht.
Xavier gehört zur ersten Kategorie. Er hockt auf allen Vieren auf seiner Yogamatte und streckt ganz langsam ein Bein und den gegenüberliegenden Arm aus. «Ich fühle mich, als hätte ich ein Brett, wo mein Rücken sein sollte …». Seine Therapeutin korrigiert seine Bewegung und beruhigt ihn. «Ich erinnere mich an Ihren ersten Aufenthalt hier, jetzt können Sie besser spüren, was in der jeweiligen Situation gut für Sie ist; das ist schon ein grosser Fortschritt …».
Text: Patricia Michaud
Fotos: Carolina Piasecki, blende.ch
Die Meinung des Spezialisten: Es braucht ein gemeinsames Ziel
Ein komprimierter Aufenthalt von einigen Wochen in einer Abteilung für muskuloskelettale Rehabilitation hat denselben oder sogar einen grösseren potenziellen Nutzen als das, was sich draussen in mehreren Monaten erreichen lässt. Die Rehabilitation ist also ein wichtiger Zeitraum, der oft einen grossen Einfluss auf die künftige Lebensqualität der Patienten hat. Dennoch sind Planung und Timing von entscheidender Bedeutung. Wenn so wenig Zeit zur Verfügung steht, muss jede Therapieeinheit, jede Pflegemassnahme und jede Arztvisite zum richtigen Zeitpunkt und mit der richtigen Intensität erfolgen. Mit der Spezialisierung der Rehabilitationsmedizin und den Erfahrungen aus der Praxis stehen heute standardisierte Protokolle zur Verfügung. Je nach Patiententyp und Erkrankung weiss man genau, was wann zu tun ist.
Damit die Rehabilitation jedoch funktioniert, muss es ein gemeinsames Ziel geben, das von allen geteilt wird, vom Patienten über den Arzt bis hin zu den verschiedenen Pflegekräften und Therapeuten. Für eine 60-Jährige, der gerade ein künstliches Kniegelenk eingesetzt wurde, könnte das Ziel darin bestehen, 20 Minuten schmerzfrei gehen zu können und dann 8 Stufen zu ihrer Wohnung hochzusteigen. Für einen 25-jährigen Fahrradkurier, der sich die Kniescheibe gebrochen hat, könnte das Ziel darin bestehen, täglich 90 km auf seinem Zweirad zurückzulegen. Die Kommunikation zwischen den beteiligten Personen ist daher von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass alle am gleichen Strang ziehen. Nur dann kann der multimodale Ansatz in der Rehabilitation – der sich wirklich bewährt hat – seine volle Wirkung entfalten.
Vincent Burki ist im Zentrum für Sport- und Bewegungsmedizin der Hirslanden-Klinik La Colline in Genf tätig. Der Facharzt für Sportmedizin, physikalische Medizin und Rehabilitation sowie Rheumatologie arbeitet ausserdem für die Fussballmannschaft Étoile Carouge FC, die in der Promotion League spielt, und für die jungen Tennisspieler der Association Régionale Genève Tennis.