«Skifahren ist mein Leben»
Théo Gmür wollte bereits als Zweijähriger die Piste hinunterbrettern – trotz halbseitiger Lähmung. Sein eiserner Wille und seine Passion für den Sport haben ihm nicht nur bei der Bewältigung von schweren Schicksalsschlägen geholfen, sondern ihn auch mehrmals aufs Podest geführt. Letztmals an der Ski-Alpin-WM im spanischen Espot.

Herzliche Gratulation zur jüngsten Silbermedaille! Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Théo Gmür: Es war vor allem eine Überraschung, hatte ich doch in den letzten Monaten mit den Folgen einer Meniskusverletzung zu kämpfen. Das hat sich natürlich auf die Vorbereitungen auf die Ski-Alpin-Weltmeisterschaft ausgewirkt. Klar ist: Die Medaille gibt mir einen neuen Motivationsschub. Sie bestärkt mich darin, weiterzumachen, hatte ich doch nach den Paralympics in PyeongChang daran gedacht, meine Karriere auf Eis zu legen.
Genau dann, als Sie auf Goldkurs waren?
In der Tat. Nach drei Mal Gold bei den Paralympics und weiteren Medaillen am Gesamtweltcup stellte ich mir die Frage, ob ich diese Leistung überhaupt noch toppen kann. Doch ich entschied mich fürs Weitermachen und habe jetzt ein neues, grosses Ziel: die Teilnahme an den Paralympics 2026 in Mailand- Cortina. Ich setze alles daran, für diese Spiele fit und startklar zu sein.
Wie stark werden Ihre Erfolge in der Öffentlichkeit wahrgenommen?
Das mediale Echo nach den Paralympics in PyeongChang war überwältigend, meine Siege wurden ausgiebig gefeiert, vor allem auch im Wallis. Doch abgesehen von den Paralympics steht der Behindertensport relativ selten im Rampenlicht.
«Von meiner Behinderung liess ich mich nie bremsen.»
Théo Gmür
Woher rührt Ihre Passion fürs Skifahren?
In Nendaz, wo ich aufgewachsen bin, ist es die natürlichste Sache der Welt, schon als kleiner Knirps auf der Piste zu stehen. Mit zwei Jahren versuchte ich es das erste Mal, die Leidenschaft für diesen Sport hat mich seither nicht mehr losgelassen. Ich habe auch viele andere Sportarten wie Fechten, Fussball oder Eishockey ausgeübt, bin ich doch in einer sehr sportlichen Familie gross geworden. Und doch: Beim Skifahren war es Liebe auf den ersten Blick – das ist der Sport, der einfach am besten zu mir passt. Heute kann ich sagen: Skifahren ist mein Leben.
Welche Rolle hat Ihre Behinderung dabei gespielt?
Von meiner Behinderung liess ich mich nie bremsen, im Gegenteil: Schon als kleiner Junge lehnte ich Hilfe ab, wenn ich Tätigkeiten selbst ausübenkonnte. Ich habe mich beim Sport viel mit Menschen ohne Behinderung gemessen. Zu merken, dass ich nicht dasselbe Niveau wie sie erreiche, warnicht immer einfach. Gleichzeitig realisierte ich, dass ich dank dieser steten Praxis selbst immer besser wurde. Und genau auf diesen persönlichen Fortschritt konzentrierte ich mich in der Folge.
Sie hatten mit mehreren unfallbedingten Verletzungen zu kämpfen.
Bis jetzt bin ich von grösseren Verletzungen verschont geblieben. Zum Glück, denn ich brauche aufgrund meiner Behinderung etwas länger fürdie Genesung. Das Risiko gehört aber zu jedem Sport dazu, das muss ich in Kauf nehmen wie jeder andere Athlet. Für mich war es nie ein Grund, es mit dem Leistungssport sein zu lassen.
Was unterscheidet ein Skirennen im Behindertensport von anderen?
Es geht beide Male um den Wettkampf. Aber bei uns ist die mediale Aufmerksamkeit kleiner, und auch die personellen Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, sind moderater. Wir versuchen dies zu ändern, indem wir den Behindertensport weiter professionalisieren. Was vielleicht auch noch etwas anders ist: Unter den Athleten ist Freundschaft ebenso wichtig wie der eigentliche Wettkampf. Wir lachen auch mal zusammen vor dem Start.
Sie engagieren sich als Botschafter für den Behindertensport. Was sind hierbei Ihre Ziele?
Ich engagiere mich bei diversen Projekten. Zum Beispiel im heilpädagogischen Bereich, wo ich mithelfe, Programme für Schülerinnen und Schülermit Behinderung zu entwickeln. Handlungsbedarf sehe ich noch vielerorts, damit Menschen mit Behinderung aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, sei es beim Sport oder bei anderen Tätigkeiten.
Ich will weitermachen, mich auf die schönen Seiten im Leben konzentrieren und nach vorne blicken.»
Théo Gmür
Was sind Ihre Ziele und Träume nach der Sportkarriere?
Ich hoffe, dass ich später meine bisherigen Erfahrungen in meine berufliche Tätigkeit einfliessen lassen kann. Gewisse Türen haben sich bereits geöffnet. Sicher werde ich sportlich aktiv bleiben und mich dafür engagieren, dass der Behindertensport weiter an Bedeutung gewinnt. Ich wünschemir, dass die Integration von Menschen mit Behinderung weitergeht und eines Tages selbstverständlich ist.
Sie sind in Ihrem Leben mit mehreren schweren Schicksalsschlägen konfrontiert worden. Wie haben Sie in solchen Ausnahmesituationen Mut gefasst?
Es musste einfach weitergehen, ich hatte keine andere Wahl. Als ich als 15-Jähriger von einem Bus angefahren und dabei schwer verletzt wurde und wenig später noch zwei Todesfälle in der Familie zu verkraften hatte, wusste ich: Ich will weitermachen, mich auf die schönen Seiten im Leben konzentrieren und nach vorne blicken.

Théo Gmür
Auf Medailenkurs
Théo Gmür (*8. August 1996) ist aufgrund eines Schlaganfalls im zweiten Lebensjahr halbseitig gelähmt. Seit seiner Silbermedaille an der WM 2017 ging die Karriere des jungen Wallisers steil nach oben. Mit drei Goldmedaillen an den Paralympics in PyeongChang 2018 (in Abfahrt, Super-G und Riesenslalom) krönte er seinen rasanten Aufstieg und erlangte innerhalb kürzester Zeit nationale Berühmtheit.