Physiotherapeutin mit Leib und Seele
Wie haben sich Therapieangebot, Arbeitsweise, Geräte und Trainingsräume in der Berner Klinik Montana in den letzten 25 Jahren entwickelt? Und vor allem, was hat sich für den Patienten verbessert? Niemand könnte diese Fragen besser beantworten als Véronique Lugon-Moulin. Die aufgestellte und einfühlsame Physiotherapeutin ist seit 1994 in der Berner Klinik Montana angestellt.
Sie begegnet von morgens bis abends zahlreichen Menschen mit unterschiedlichen Leiden, und das seit 25 Jahren. Begrüsst Véronique Lugon-Moulin einen Patienten oder eine Patientin, tut sie das mit einem gewinnenden Lächeln. Sie arbeitet hochkonzentriert und erkundigt sich während der Behandlung immer wieder nach Schmerzen, wenn sie eine Bewegung ausführt, ist aber auch zum Scherzen aufgelegt. Wie macht sie das? «Ich mag den Patientenkontakt. Dass jeder Mensch und jede Beeinträchtigung anders ist, macht die Arbeit abwechslungsreich und herausfordernd. Es ist spannend, herauszufinden, woher Schmerzen kommen, verschiedene Techniken anzuwenden und zu merken, wem was am meisten hilft. Man hat nie ausgelernt», sagt sie erfreut. Auch die zahlreichen Weiterbildungsmöglichkeiten, die die Berner Klinik Montana zulässt und den wöchentlichen einstündigen Austausch mit ihren Kolleginnen und Kollegen schätzt sie sehr.
Mehr Zeit für die Patienten
Wir gehen durch den MTT-Raum im 2. Stock, der 2007 renoviert wurde. Der Raum ist hell und freundlich. Überall stehen Geräte, an manchen wird fleissig trainiert. Véronique Lugon-Moulin erzählt von ausgemusterten Geräten wie dem «Biodex kardiomed 700», erklärt das alte Traggestell und führt vor, wie die Therapeuten die Beine der Patienten von Hand bewegt haben. Das sei aufwändig und eine ziemlich grosse körperliche Belastung gewesen. Heute erfolgt das Gehtraining mit dem 2007 angeschafften Lokomat™. Der Laufroboter ist wesentlich einfacher anzulegen und die Stahlkonstruktion sorgt für die Gewichtsentlastung der Patienten, während sie über das Laufband gehen. Ich frage die Patientin Elisabeth Lehmann, wie sie die Robotiktherapie empfindet. Super (hält Daumen hoch)! Schon das erste Gehtraining mit dem Lokomat™ hat meinem Gehirn auf die Sprünge geholfen. Es wusste nicht mehr, wie man geht. Besonders das rechte Bein gehorchte mir nicht mehr. Heute laufe ich wieder gerade. Und es geht jedes Mal besser», erzählt sie erfreut. Auch das 2014 angeschaffte Anti-Gravitations-Laufband AlterG™ erfreut sich grosser Beliebtheit und wird nach Knie- oder Hüftoperationen, bei geschwächten Patienten sowie bei neurologischen Erkrankungen eingesetzt.
Laut Véronique Lugon-Moulin war es nicht immer so, dass alle Geräte in einem Raum standen. Bei ihrem Stellenantritt seien die Trainingsgeräte der Berner Klinik Montana auf alle fünf Stockwerke verteilt gewesen: Motomeds, Stehgestelle, Kinetec und Lymphomat. Dass sie heute an einem Ort vereint sind, mache die Arbeit und das Training nicht nur angenehmer, sondern komme auch den Patienten zugute, weil die Therapeuten mehr Zeit für die Behandlung haben. Zudem sei immer eine Therapeutin oder ein Therapeut anwesend, der beim Einstellen der Geräte helfen oder die korrekte Nutzung erklären könne. Ganz alle Geräte befinden sich allerdings nicht im MTT-Raum. Den Patienten stehen nämlich zusätzlich der Vector™ und eine Kletterwand zur Verfügung, die sich im Gruppentherapieraum im 3. Stock befinden.
Jeder Mensch, jede Beeinträchtigung ist anders
Nach der Besichtigung des MTT-Raums geht es ins Behandlungszimmer im 2. Stock, wo Véronique Lugon-Moulin und ihre Kolleginnen und Kollegen die Einzeltherapien durchführen. Die erste Patientin, Josette Schmitz-Krol, hat eine komplizierte Form des Beckenbruchs und klagt über Schmerzen im rechten Bein. Sie stellt vorsichtig ein Bein vor das andere. Véronique Lugon-Moulin behandelt sie einfühlsam und mit grosser Sorgfalt. Zuerst leitet sie einige Übungen am «Böckli» an, da das Gehen an Krücken noch nicht richtig gelingen will, anschliessend folgen ein paar Kräftigungsübungen. Es sei noch zu früh für die Gehgruppe, befindet die erfahrene Physiotherapeutin. Es gelte, langsam vorzugehen. Frau Schmitz-Krol erklärt nach der Therapie: «Das ist die Basis für meine Übungen im Bett. Knapp einen Monat nach der Operation kann ich mich schon alleine drehen und die Toilette aufsuchen. Das habe ich der Physiotherapie zu verdanken». Die nächste Patientin ist eine elegant gekleidete ältere Dame mit einem Ellenbogen-Implantat. Ein seltener Fall für die Physiotherapie. Coralie Guntern, Praktikantin im zweiten Ausbildungsjahr der Schule für Physiotherapie in Leukerbad, nimmt die Behandlung an Myriam Kuehnis vor und versucht sorgfältig, ihren Arm in verschiedene Richtungen zu mobilisieren. Dies natürlich unter dem wachsamen Blick von Véronique Lugon-Moulin, die angehende Physiotherapeutinnen und -therapeuten ausbildet. Die Therapie zeigt ebenfalls Wirkung: Frau Kuehnis kann ihren Ellenbogen immer ein bisschen mehr bewegen. < /br> Nach der Mittagspause liegt Jean-Pierre Bestenheider im Therapiezimmer. Eine lange, breite Narbe zieht sich seitlich fast über den gesamten rechten Oberschenkel. Véronique Lugon-Moulin massiert vorsichtig das umliegende Gewebe, bevor sie sich an die Narbe herantastet. Dazwischen erkundigt sie sich immer wieder beim Patienten, ob diese oder jene Bewegung Schmerzen verursache. Beispielsweise wenn sie sich sein Bein auf ihre Schulter legt, um es zu mobilisieren. Herr Bestenheider verneint. Sie unterhalten sich, manchmal lachen sie und zum Schluss fragt Véronique Lugon-Moulin, ob er ein Care Tape in fluoreszierendem Pink wolle oder doch lieber ein hautfarbenes, wie beim letzten Mal. Der Effekt sei der gleiche, sie lacht ihr typisches Lachen. Herr Bestenheider erzählt von seinen Beobachtungen über das Care Tape und verlässt zufrieden den Raum. – «Das Tapen ist eine neue Möglichkeit, um Muskeln zu stabilisieren oder zu entlasten», erklärt die Physiotherapeutin. «Das hat es vor 25 Jahren noch nicht gegeben.»
Auf demselben Wissensstand
Nach jeder Behandlung geben Véronique Lugon-Moulin und ihre Praktikantin die vorgenommenen Schritte in den Computer ein. «Dies ist eine der grössten Veränderungen gegenüber früher», sagt sie. «Bei meinem Stellenantritt hatte jeder Therapeut seine Pläne und Behandlungsschritte auf einem separaten Papier festgehalten. Heute hat dank dem Klinikinformationssystem (KIS) jeder Zugriff auf die Diagnose und andere wichtige Informationen, ob Therapeut, Pfleger oder Arzt. Das gesamte Rehabilitations-Team ist somit auf demselben neusten Stand. Dies vereinfacht die Arbeit und fördert den Überblick.» Ein weiterer Vorteil sei der heutige Austausch mit den Therapeuten aus den anderen Fachrichtungen wie Ergo-, Logo- und Psychotherapie sowie der Neuropsychologie und beispielsweise der Ernährungsberatung. – Eine Voraussetzung für den ganzheitlichen Rehabilitationsprozess. Schliesslich ist es eine wesentliche Verbesserung, dass die Patienten ihren Behandlungsplan bereits am zweiten und nicht erst am dritten Tag erhalten, weil der Rehacoach noch am selben Tag nach dem Eintrittsgespräch gemeinsam mit dem Arzt und der Pflege über die weitere Behandlung entscheiden kann. Die Behandlungspfade sind heute im Computer hinterlegt – beispielsweise nach einer Hüftoperation. Aber Véronique Lugon-Moulin kann diese je nach den Bedürfnissen oder dem Befinden ihrer Patienten in Absprache mit den Ärzten anpassen. Zum Beispiel wenn sie findet, sie sollten in den Genuss von Robotiktherapien, passiven Therapien oder der Hippotherapie kommen. Denn Individualität wird heute eben auch grösser geschrieben als noch vor 25 Jahren.