Glück im Unglück

Chantal Vaucher (Jg. 1966) ist nach einem Skiunfall in die Berner Klinik Montana gekommen. Die Familie besitzt hier eine Ferienwohnung, in der sie regelmässig ein paar gemütliche Tage verbringt – im Winter auch auf der Piste. Trotz eines komplizierten Bruchs des rechten Schienbeinkopfes bleibt sie positiv: Es hätte schlimmer kommen können, findet sie.

Im Korridor der Klinik sitzt eine zierliche Frau und wartet auf die Physiotherapie. Sie begrüsst uns mit einem scheuen Lächeln. Chantal Vaucher ist Anfang Januar nach einem Skiunfall im Rollstuhl in Crans-Montana zur Rehabilitation in die Berner Klinik gekommen. Diagnose: Bruch des rechten Schienbeinkopfes. Am Tag unseres Besuches Mitte Februar bewegt sie sich jedoch gewandt auf Krücken. «Ich war etwas zu schnell unterwegs. Plötzlich haben sich meine Ski gekreuzt, und ich bin vornübergefallen. Ich wusste sofort: Das ist etwas gebrochen!», erklärt sie. Nach der Operation im Spital Sitten, wo ihr die Berner Klinik Montana empfohlen worden war, hat sie sich innerhalb einer Woche einen Rehabilitationsaufenthalt organisiert. Sie wollte so schnell wie möglich wieder unabhängig und in der Nähe ihrer Liebsten sein. Aber zuerst musste sie sich in Geduld üben. Zu Beginn ihres Aufenthalts in der Klinik sei sie mit dem Rollstuhl von Therapie zu Therapie gefahren, erzählt sie. Danach folgten Gehübungen mit dem «Böckli», dem Gehwagen «Taurus» und schliesslich das Gehen an Krücken. Davor hatte Chantal Vaucher wegen einer Schulteroperation zwei Jahre zuvor allerdings Angst. Daria Moulin, eine ihrer Physiotherapeutinnen, hat sie Schritt für Schritt herangeführt und verordnete ihr erst einmal Übungen zur Stärkung der Arm- und Rückenmuskulatur – mit dem Rudergerät, dem Kombinationsgerät Schulterfixator/Stützstemme, dem Armfahrrad und der Kabelzugstation. Beim heutigen Physiotherapie-Termin mobilisiert die einfühlsame Physiotherapeutin Chantal Vauchers Knie und Fussgelenk, damit sie ihre Beweglichkeit nicht verliert. Zudem lockert sie ihr mit Waden- und Rückenmassagen die verspannten Muskeln. Ganz zur Freude der Patientin. «Neben der Physio- steht auch Ergotherapie auf meinem Programm», sagt Chantal Vaucher lächelnd. «Überhaupt bin ich unter der Woche sehr beschäftigt. Aber es läuft sehr gut», findet sie.

Chantal Vaucher beim Trainieren der Schultermuskulatur mit dem Armfahrrad.

Gute Kommunikation

Damit es mit der Genesung der Patienten stetig aufwärts geht, findet in der Klinik einmal wöchentlich ein Reha-Rapport statt. Dort wird besprochen, wie es den Patienten geht, wie es um ihre Fortschritte bestellt ist und was man noch für sie tun könnte. Teilnehmende sind jeweils die behandelnden Kader- und Assistenzärzte, das Pflegepersonal der Etage, die Physio- und Ergotherapeutinnen sowie die Sozialberaterin. Virginie Peter, Leiterin Ergotherapie, sagt: «Gute Kommunikation ist das A und O in einem interdisziplinären Team. Ohne sie funktioniert es nicht. Alle müssen wissen, was zu tun ist und die ergriffenen Massnahmen müssen zusammenspielen. Nur so tragen sie zum Wohlbefinden und zum Therapieerfolg der Patientin oder des Patienten bei.» Wie sahen die ergotherapeutischen Massnahmen für Chantal Vaucher aus? «Sie braucht nicht viel», sagt Virginie Peter. «Frau Vaucher ist ziemlich unabhängig, was das Gehen und das Gleichgewicht betrifft. Wir haben in der letzten Sitzung lediglich ein paar Hilfsmittel zur Haushaltführung besprochen. Beispielweise eine Telekop-Stange mit verschiedenen Aufsätzen, um bequemer putzen zu können.» Chantal Vaucher findet es praktisch, zu wissen, was es alles gibt. Was Virginie Peter ihr ebenfalls gezeigt hat, ist das Badewannenbrett. «Auf dem kann ich sitzen und mich abstützen, wenn ich duschen oder baden will. Und dieser Haltegriff mit Vakuum-Sicherheitsanzeige lässt sich an einer beliebigen Stelle auf einer flachen Wand anbringen. Oder ich nehme einen Hocker mit ins Bad oder in die Dusche, wenn ich eine Pause brauche», erklärt sie. Virginie Peter dazu: «Bei Frau Vaucher geht es jetzt vor allem darum, wie sie sich im Alltag mit den Krücken am besten bewegen und beispielsweise eine Tasche tragen kann. Wobei ich generell zu einem Rucksack rate, damit die Patienten die Hände für die Krücken frei haben.» Sie fragt Chantal Vaucher am Ende der Therapie, ob sie Zuhause kochen werde, worauf diese entgegnet, ihr Mann und ihre Tochter würden sie unterstützen. «Dann ist also Ihr Mann Ihr wichtigstes Hilfsmittel», scherzt sie. Chantal Vaucher wehrt händeringend ab, kann sich aber ein Lächeln nicht verkneifen.

Bei der täglichen Arztvisite werden sowohl Gemütszustand der Patientin wie auch Fortschritte besprochen (im Bild: Med. pract. Peter Lermen).

Positiv bleiben

Was ihr am meisten geholfen habe? «Vor allem die Physiotherapien und die Gehübungen mit dem ‹Vector›», sagt sie. Zudem konnte sie das Gehen mit den Krücken in der Berner Klinik Montana langsam angehen. Das bedeute ihr viel, weil es beim vorherigen Spitalaufenthalt etwas zu schnell ging. Sie habe Selbstvertrauen gewonnen und die Zuversicht, sich Zuhause im Alltag wieder zurechtzufinden und fortbewegen zu können, findet auch Physiotherapeutin Véronique Lugon-Moulin.«Es war nicht immer einfach, positiv und motiviert zu bleiben», sagt Chantal Vaucher rückblickend. Denn es bleiben ihr nur noch wenige Tage in der Klinik. «Aber ich sagte mir immer, es hätte schlimmer sein können. Du hättest dir beide Beine brechen können!» Psychisch geholfen hätten ihr auch die Besuche ihrer Familie, die jeweils an den Wochenenden vorbeigekommen ist. «Meine Lieben haben mich manchmal abgeholt, damit ich einige Stunden Zuhause verbringen und mich erholen konnte.» Auch die Gespräche mit anderen Patientinnen und Patienten hätten ihr gutgetan, sagt Chantal Vaucher. – Vor allem an Tagen, an denen sie fand, es gehe mit ihrer Genesung zu langsam voran. «Es gibt fantastische Menschen hier, die mit 80 Jahren fleissig ihre Fitnessübungen machen! Daran kann ich mir als 54-Jährige nur ein Beispiel nehmen. Wir machen uns gegenseitig Mut. Zudem unternehme ich alles, damit es weiter aufwärts geht!» Was sie von der Berner Klinik Montana mitnehme? «Ich werde mit den Physiotherapie-Übungen weiterfahren. Vor allem jene mit den Krücken, wo man die Treppe hoch- und runtergeht oder richtig aufsteht und sich setzt. Jetzt muss ich nur noch eine geeignete Person finden und den Transport mit dem Roten Kreuz organisieren.» Denn ihr Mann und ihre 19-jährige Tochter würden sie Zuhause schon beim Kochen und Haushalten unterstützen. «Es wird schwierig sein, anfangs nichts beitragen zu können. Aber ich freue mich, meinen Tagesablauf wieder selbst bestimmen und mich ab und zu mit meinen Freundinnen treffen zu können!»

Physiotherapeutin Véronique Lugon-Moulin gibt gezielte Anweisungen und überwacht jeden Schritt ihrer Patientin mit dem Vector.