Expertenmeinung: Rehabilitation bei Multipler Sklerose – Die Basis der therapeutischen Ansätze

Auf dem Gebiet der Multiplen Sklerose (MS) wurden in den letzten Jahrzehnten immense Fortschritte erzielt. Doch weiterhin bewirkt keines der neuen Medikamente eine Heilung, sondern allenfalls eine Verlangsamung der Erkrankung. Das heisst: Bestenfalls verspüren Betroffene weder eine Verschlechterung der Erkrankung noch Nebenwirkungen. Aber die Realität sieht häufig anders aus: Viele Betroffene berichten von einer Einschränkung der Lebensqualität durch die Medikamente. Daneben lindern diese Medikamente keine bereits bestehenden Beschwerden. Diese können nur durch symptomatische Therapien und Rehabilitationsmassnahmen behandelt werden.

MS kann die Lebensqualität auf verschiedene Arten beeinflussen. Zu häufigen Symptomen gehören Spastik, Sehschwächen, Blasenstörungen und Lähmungen. Andere Beschwerden sind weniger augenfällig. So können deutliche Erschöpfbarkeit oder Konzentrationsstörungen den Alltag wesentlich beeinflussen, ohne dass man den Betroffenen äusserlich etwas ansieht. Für viele Symptome stehen Therapiemassnahmen zur Verfügung – von Physiotherapie bis hin zu medikamentösen oder gar operativen Ansätzen. Aufgrund der vielfältigen Therapieansätze gehören die symptomatische und die rehabilitative Therapie in die Hand von Experten. Diese wählen bedarfsangepasst die richtige Therapie aus. Wichtig ist zudem die regelmässige Wiederholung der Therapien, damit das Erreichte nicht verloren wird.

Moderne Immuntherapien und Rehabilitationsmassnahmen stellen also keine Gegensätze dar, sondern sind vielmehr sich ergänzende und aufeinander aufbauende Therapieformen. Die beste Immuntherapie wird zu keiner Verbesserung der Lebensqualität führen, wenn nicht auch bestehende Beschwerden konsequent angegangen werden. Die symptomatische, rehabilitative Therapie stellt die Grundlage der Therapiemassnahmen dar, bevor risikoreichere Therapieformen hinzukommen, die potenziell mit Nebenwirkungen behaftet sind.

Prof. Dr. med. Andrew Chan

ist stellvertretender Chefarzt am Inselspital in Bern. Er leitet das ambulante Neurozen- trum sowie die neurologische Poliklinik. Nebst der allgemeinen Neurologie gilt sein wissenschaftliches Interesse neuroimmu- nologischen Erkrankungsbildern wie der Multiplen Sklerose.

Universitätsklinik für Neurologie, Inselspital