Expertenmeinung: Adipositas, die neue Volkskrankheit

Deutliches Übergewicht, im Fachjargon Adipositas genannt, wird immer mehr zur Volkskrankheit. Von Übergewicht spricht man, wenn der Body-Mass-Index (BMI = Körpergewicht : (Körpergrösse in m)²) grösser als 25 ist; von einer Adipositas ab einem BMI über 30. Die Gründe können Diabetes Typ 2 (bis zu 20% der Adipösen), Gelenksbeschwerden, Herzschwäche oder hoher Blutdruck sein. Typ-2-Diabetes, früher als Alterszucker bekannt, tritt heute zunehmend auch bei jungen Patienten auf. 

Zu wenig Bewegung, die ständige Verfügbarkeit von Nahrung, aber auch Veranlagung oder internistische Erkrankungen können zu Übergewicht führen. So unterschiedlich wie die Gründe, sind auch die Behandlungsmethoden. Deshalb sollten diese in einem interdisziplinären Team eruiert werden. Zunächst gilt es, die Gründe für die Fehlernährung zu identifizieren. Dabei steht die konservative, nicht-chirurgische Behandlung im Vordergrund. Der Patient soll zu einem aktiveren Lebensstil und gesünderen Essgewohnheiten bewogen werden und seinen Körper neu kennenlernen. Begleitet wird er dabei von erfahrenen Physiotherapeuten, Psychologen, Ernährungsspezialisten und Internisten.

Die Adipositas-Chirurgie kommt erst zum Zug, wenn die konservative Methode nach zwei Jahren keine Wirkung zeigt und der Patient einen BMI über 35 aufweist. Laut einer schwedischen Studie stellt sie die zurzeit wirksamste Methode zur anhaltenden Gewichtsreduktion und zur Heilung oder Verbesserung der erwähnten Begleiterkrankungen dar (Zahlen der Studie: konservative Methode über 15 Jahre: 2–3% anhaltende Gewichtsreduktion; Magenbypass: über 30%).

Nach dem Eingriff ist die Betreuung durch Spezialisten angezeigt: Ist der Magen verkleinert, muss die Ernährung an die neuen Bedürfnisse angepasst werden – beispielsweise durch die Zugabe von Vitaminen und Eiweiss. Meist gelingt die Nachbetreuung ambulant, manchmal ist ein stationärer Rehabilitationsaufenthalt zur ganzheitlichen Betreuung des Patienten jedoch sinnvoll.

Dr. med. Daniel Tassile
ist Facharzt für Chirurgie mit Spezialisierung für Viszeral- und Allgemeinchirurgie sowie Traumatologie. Seit 2003 ist er Belegarzt an der Klinik Linde und am Spital-zentrum in Biel sowie an der Klinik BeauSite in Bern. Zuvor war er unter anderem am Universitätsspital Genf tätig.