Der Weg zurück in den Alltag

Mario Gullotta entkam nach einem Aortariss nur knapp dem Tod. Nach drei Monaten in der Berner Klinik Montana ist er auf dem besten Weg zurück in sein altes Leben – Rehavita hat ihn einen Tag lang begleitet.

Der heutige Kliniktag von Mario Gullotta beginnt um neun Uhr morgens nach dem Frühstück. Was so selbstverständlich klingt, war unmittelbar nach dem 28. Februar 2014 noch unvorstellbar. Ein spontaner Aortariss verursachte einen Schlaganfall beim 77-jährigen Pensionär aus Sierre. Seine Frau hatte den Vorfall bemerkt und umgehend die Sanität alarmiert – zum Glück: «Fünf Minuten später, und ich wäre tot gewesen», sagt Mario Gullotta mit lebendigen Augen. Er steht mit seinem Rollator im dritten Stock der Berner Klinik Montana. Es ist einer der letzten Tage seines fast dreimonatigen Reha-Aufenthaltes, den er aufgrund der Lähmung der rechten Körperhälfte, einer Folge des Schlaganfalles, antrat.

Am Bildschirm Alltägliches wieder erlernen

In der Ergotherapie erwartet ihn Ludmila Durieux. Auf die Frage wie er sich fühle, entgegnet er selbstbewusst «Wie ein Champion!», und begibt sich zum Armeo – einem Roboter, mit dem durch gezielte Übungen die Mobilität im Arm gefördert werden kann. Einzelne Bewegungen des Patienten werden auf den Bildschirm übertragen, wo mit verschiedenen Spielen Situationen des Alltags simuliert werden. Als erstes müssen Äpfel in ienen Korb gelegt werden – eine Aufgabe, die der pensionierte Drehmechnaiker inzwischen mit Bravour meistert. Er erzielt das zweitbeste Resultat seines Aufenthaltes. Auch bei den anschliessenden Kraft- und Koordinationstests zeigt sich ein erfreuliches Bild.

Neben der Betreuung wird in der Berner Klinik Montana der Platz für persönliche Kontakte gross geschrieben.

Mit der Mobilität kam die Motivation

«Er ist nicht mehr dieselbe Person, wie zu Beginn seines Aufenthaltes», meint Ludmila Durieux. Das bestätigt auch Mario Gullotta: «Am Anfang wollte ich sterben», meint er im Hinblick auf seinen Eintritt in die Klinik. Der passionierte Hobbygärtner, der gerne auch in der Bastelgarage arbeitete, wollte sich anfangs nicht vorstellen, dass sein Leben nach dem Schlaganfall nicht so weiter gehen kann, wie gewohnt. Doch mit der steigenden Mobilität kam auch die Motivation zurück und mit jedem Tag in der Reha stieg die Lebensfreude.

Atemübungen vor dem Spiegel dienen der Koordination der Atemwege.

Atemübungen und Schlagerproben

Nach dem Mittagessen steht ein Termin bei der Logopädie auf dem Programm. Atemübungen und die Kräftigung der Stimme sind nach einem Schlaganfall wichtig, da Lähmungen oft auch die Lunge beträfen, so Logopädin Nadja Hoppe. Vor einem Spiegel wird kontrolliert ein- und ausgeatmet und an der Artikulation von Silben gefeilt – zweisprachig wohlgemerkt, denn in der Berner Klinik findet die Logopädie auf Deutsch und Französisch statt. «Wenn ich noch länger bleiben würde, könnte ich bestimmt bald perfekt Deutsch», scherzt der gebürtige Italiener, der seit bald 53 Jahren in Siders lebt. Und auf einen weiteren positiven Nebeneffekt der Logopädie freut sich Mario Gullotta: Schon bald könne er wieder singen. «Italiano Vero» von Toto Cotugno, sagt er, habe er in der Therapie schon zum Besten gegeben. Heute bleibt die Kostprobe allerdings aus.

Kleine Schritte üben

Auf dem Weg zur Physiotherapie grüsst Mario Gullotta im Vorbeilaufen Personal und Patientinnen und Patienten und unterhält sich mit ihnen. «Ich habe ein paar neue Freunde gefunden», stellt er mit einem Lächeln fest. Sicherlich ein Grund dafür, dass ihm die Zeit in der Klinik nicht zu lang wurde. Unterwegs wird er von Physiotherapeutin Claudine Kuonen abgeholt. Auch sie zeigt sich zufrieden mit dem Verlauf der Therapie. «Am Anfang mussten wir das Stehen trainieren oder Transfers, also einfache Übergänge von einer Lage in die Andere». Mittlerweile kann der Rollator schon öfters gegen einen Nordic-Walking-Stock getauscht werden, und auch das Treppenlaufen gelingt. «Zu Hause habe ich drei Treppen bis zur Wohnung, da bin ich darauf angewiesen, dass auch das funktioniert», erklärt Mario Gullotta.

Bei der Physiotherapie wird der Körper gezielt gekräftigt – hier mit dem Motomed.

Der Lohn harter Arbeit

Der Erfolg jeder Therapie hängt aber auch vom Einsatz der Patientin oder des Patienten ab. Das weiss auch Mario Gullotta: «Es braucht Willen, Willen und nochmals Willen.» Mit genau diesem Willen blickt er auch in die Zukunft; früher verbrachte er jedes Jahr mit seiner Familie die Ferien in Malaga. Nach dem Unterbruch durch die Reha soll es bereits im nächsten Jahr wieder klappen. Bis dahin muss allerdings noch viel gearbeitet werden. Und so hilft Claudine Kuonen ihrem Patienten auf das Motomed – ein Fahrrad mit einstellbarer Unterstützung – und das Training für den Alltag geht weiter.

Ein Gruss aus dem Alltag

Nach der letzten Therapieeinheit begibt sich Mario Gullotta in die Cafeteria der Klinik. Er ist erschöpft, aber glücklich, denn dort wartet seine Familie, die zweimal pro Woche zu Besuch nach Montana kommt. Mario Gullotta sind diese Besuche wichtig; sogar seine Tochter, die mittlerweile in Deutschland lebt, sei schon da gewesen. Überhaupt freut er sich wieder auf seine Familie und die vertraute Umgebung daheim – einen Alltag, den er, aller anfänglichen Skepsis zum Trotz, in Montana Schritt für Schritt zurückgewonnen hat.

Kurz erklärt: Schlaganfall