Gemeinsam an einem Strang ziehen

Rehabilitation ist das Zusammenspiel eines Teams. Gerade bei der muskuloskelettalen Rehabilitation zeigt sich, wie viele  Leistungen – auch diejenige des Patienten – zum Erfolg beitragen. Der Fall von Jürg Rentsch ist ein Beispiel dafür. Eine  Gesprächsrunde.

Vorbei sind die Tage, da eine Sportverletzung automatisch zu einem Reha-Aufenthalt geführt hat. Die heutigen Anforderungen an die muskuloskelettale Rehabilitation sind hoch, da die Patienten oft nach komplexen Operationen oder mit kombinierten Diagnosen überwiesen werden. Jürg Rentsch aus Thun ist ein solcher Patient. Seit 2011 bei ihm Leukämie festgestellt worden ist, ist sein Leben durchsetzt von Stationen im Spital.

Die Rettung und ihre Folgen

Jürg Rentsch hat zunächst vier Chemotherapien am Inselspital Bern absolviert, bis man ihn für eine Fremdstammzellentransplantation nach Basel überwiesen hat. Dieser Schritt hat Jürg Rentsch das Leben gerettet: Seit acht Monaten ist der Blutkrebs nicht mehr feststellbar. Jedoch hat die Behandlung mit Kortison ihre Spuren hinterlassen: Jüngst ist der Hüftkopf «abgestorben» und hat sich durch die verminderte Durchblutung und einen veränderten Stoffwechsel verformt. Die Ursache dafür ist eine Durchblutungsstörung im Knochen gewesen.

Obwohl viele Therapien der Berner Klinik Montana gruppenbasiertsind, ist die persönliche Begleitung des Patienten zentral für den Erfolg einer Rehabilitation.

Rehabilitation im vertrauten Umfeld

Mittlerweile ist Jürg Rentsch operativ ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt worden. Als Folge davon verbringt er mehrere Wochen in der Berner Klinik Montana. Es ist nicht sein erster Aufenthalt in der Klinik, die er schon im Rahmen einer onkologischen Behandlung besucht hat. Ein Team von Experten begleitet ihn auf dem Weg durch die muskuloskelettale Rehabilitation.

Jürg Rentsch, Pfarrer aus Thun

«Seit meiner Diagnose vor vier Jahren spielt sich mein Leben hauptsächlich in Kliniken ab. Da mein Immunsystem geschwächt ist, lebe ich in ständiger Angst vor Infektionen. Dadurch werden Beziehungen distanzierter, aber auch tiefer. Ich bin froh, in der Berner Klinik zu sein. Die Therapien, das Essen – alles ist auf meine Bedürfnisse zugeschnitten. Ich war schon viermal hier und habe bis jetzt jedes Mal profitiert. Hier kann ich frische Energie tanken, auch wenn die Therapien teils anstrengend sind. Durch meine Krankheiten bin ich ohnehin erschöpft, da bin ich froh, abends wenigstens etwas getan zu haben. Und natürlich habe ich noch Ziele: Es wäre schön, wenn ich wieder Velofahren könnte, so wie früher.»

Nike Riedel, Oberärztin

«Ich kenne Herrn Rentsch noch von seinen früheren Besuchen. Dennoch müssen wir uns beim Entritt ein Bild machen, welches die aktuellen Probleme sind. Gerade bei chronisch Kranken müssen wir die aktuellen Defizite, die zur Selbstständigkeit des Patienten fehlen, durch eine gute Untersuchung aus der oft komplexen Anamnese herausarbeiten. Kombiniert-onkologische Patienten wie Herr Rentsch können jedoch schnell «kippen», weshalb wir so spontan wie ein Akutspital sein müssen. Aktuell ist sein Zustand stabil, sodass wir uns ganz auf die muskuloskelettale Rehabilitation konzentrieren können.»

Karin Bayard, Leiterin Physiotherapie und Rehacoach

«Als Rehacoach habe ich die Aufgabe, die einzelnen Therapien für einen Patienten zu planen und zu koordinieren. Hierzu stehen uns definierte Therapieprogramme zur Verfügung, welche unter anderem auf onkologische und muskuloskelettale Erkrankungen ausgerichtet sind. Aufgrund des Aufnahmegesprächs und der gesetzten Ziele haben wir uns für ein Programm entschieden, welches von Anfang an auf die Bedürfnisse von Herrn Rentsch adaptiert wurde. Wegen der Komplexität seiner Erkrankung besteht sein Programm zunächst vor allem aus Einzeltherapien und bei gutem Verlauf vermehrt aus Gruppentherapien. Natürlich können wir die Therapien jederzeit anpassen, wenn ein Patient unterfordert oder zu schwach ist. Herr Rentsch ist motiviert und will die gemeinsam definierten Ziele erreichen – das ist die optimale Voraussetzung für einen erfolgreichen Rehabilitationsaufenthalt.»

Nadine Schmitt, Physiotherapeutin

«Ein Patient mit einer Vorgeschichte wie Herr Rentsch hat viele Baustellen, auf denen man therapeutisch arbeiten kann. Zurzeit liegt der Schwerpunkt auf seiner noch nicht voll funktionsfähigen Hüfte. Alltagsaktivitäten wie Transfers, An- und Ausziehen, Waschen oder Treppensteigen müssen neu erlernt werden, auch unter Anwendung von Hilfsmitteln. Dabei darf man die Symptome der onkologischen Erkrankung nicht ausser Acht lassen, was die Behandlung so komplex macht. Zu Beginn befürchtete ich, dass Herr Rentsch aufgeben würde, da er sagte, dass der Grad zwischen «nicht mehr können» und «nicht mehr wollen» immer schmaler wird. Doch er hat seine Motivation im Laufe der Zeit wiedergefunden. Herr Rentsch besitzt ein gutes Körpergefühl, kann sich einschätzen und gibt Rückmeldungen zur Therapieintensität.»

Julien Rappaz, Fachangestellter Pflege

«Herr Rentsch war schon früher mein Patient. Er ist ein ausgesprochen freundlicher und aufgeschlossener Mensch, was die Arbeit mit ihm sehr einfach macht. Das ist auch wichtig, da wir in der Pflege den Patienten sehr nahe kommen – sei es beim Toilettengang oder beim Ankleiden. Trotz aller Vertrautheit darf man natürlich nicht vergessen, dass wir zum Ziel haben, die Autonomie der Patienten zu wahren. Eine Herausforderung bei Leukämiepatienten wie Herrn Rentsch ist auch das Infektionsrisiko. Natürlich sind unsere hygienischen Standards bei jedem Patienten gleich hoch, aber bei Herrn Rentsch wären die Konsequenzen eines Fehlers grösser. Das zeigt, dass wir auf unsere Patientenversorgung stolz sein können.»